Seit 18 Monaten begleitet das Projekt „Hoffnungslicht und Zuversicht – ein Kunstprojekt voller guter Wünsche“ Familien, Besucher:innen und Mitarbeitende im Kinderpalliativzentrum Datteln. Schutzwesen und Hoffnungsboten, gestaltet von Designer:innen, Illustrator:innen und Künstler:innen, sollen Eltern und Kindern Hoffnung und Zuversicht schenken. 175 professionelle Künstler:innen reichten ihre Werke ein. Am Samstag fand im Kinderpalliativzentrum in einer Feierstunde die Preisverleihung statt: 25 Werke zeichnete die prominent besetzte 7-köpfige Jury aus Kunstexpert:innen und Laien aus.
Die Idee, Schutzwesen aller Art ins Kinderpalliativzentrum einziehen zu lassen, hatte Professor Boris Zernikow, Leiter des Hauses, schon lange im Kopf: „Im Kinderpalliativzentrum versorgen wir Kinder in sehr schwierigen Lebenssituationen. Die Eltern sind voller Sorge um das Wichtigste in ihrem Leben – ihr geliebtes Kind. In ihrer Angst und Hilflosigkeit wünschen sie sich für ihr Kind einen Schutzengel, der über das Kind wacht. Und wir, wir wünschen uns für die Eltern einen Schutzengel, der ihnen Hoffnung schenkt, Zuversicht und Begleitung. Unsere Schutzengel-Sammlung soll diese Hoffnung nähren. Und, wir haben einen sehr großen Schutzengelbedarf“ Denn über die medizinisch-pflegerische und psychosoziale Versorgung der Familien mit einem schwerkranken Kind hinaus gibt es noch eine weitere, ganz wichtige Dimension: die spirituelle Ebene. Hier setzt das Schutzengel-Kunstprojekt an.
Kinder-Artothek und Eltern-Artothek sprechen die ganze Familie an
Den Kern bilden zwei Artotheken. Die beiden Sammlungen wuchsen im Laufe der vergangenen Monate dank der Einsendung zahlreicher Werke vieler kreativer Köpfe aus dem gesamten Bundesgebiet und darüber hinaus. In der Kinder-Artothek versammeln sich phantasievolle und kunterbunte Schutzwesen, vornehmlich von Kinderbuchillustrator:innen und Designer:innen gestaltet. Die Patient:innen auf der Kinderpalliativstation Lichtblicke dürfen sich in Form eines Posters eines dieser Schutzwesen aussuchen. Es wacht während ihres Aufenthaltes über sie und begleitet das Kind anschließend nach Hause.
Die Eltern-Artothek, die zweite Sammlung, füllte sich in den letzten Monaten nach und nach durch einen Kunstwettbewerb, der bundesweit große Resonanz erfuhr: „Wir sind komplett überwältigt davon, wie viele besondere, tiefgründige, wunderbare Werke uns erreichten“, drückt Nicole Eickhoff, die pflegerische Stationsleitung ihre Dankbarkeit aus. 175 professionelle Künstler:innen aus dem In- und Ausland hatten sich beworben, um Teil der hoffnungsvollen Sammlung im Kinderpalliativzentrum zu werden. So individuell wie jedes Kind, jede Familie, jede persönliche Situation und Gefühlslage ist, so einzigartig präsentieren sich auch die eingereichten Werke. Viele Künstler:innen schrieben ihre Gedanken und ihre Wünsche dazu nieder. Die Eltern können sich nun für ihr Elternzimmer in der ersten Etage über der Kinderpalliativstation für die Zeit ihres Aufenthaltes ein Werk ihrer Wahl aussuchen. 25 Werke wählte die Jury nun aus.
V.l.n.r.: Prof. Dr. Boris Zernikow (Chefarzt des Kinderpalliativzentrums & Jurymitglied), Ute Diez (erstplatzierte Künstlerin), Danuta Karsten (Künstlerin & Jurymitglied), Thomas Klegin (zweitplatzierter Künstler), Sinje Faby (drittplatzierte Künstlerin), Prof. Dr. Ferdinand Ullrich (Kunsthistoriker & Jurypräsident)
Die Jury besetzen Kunsthistoriker Prof. Dr. Ferdinand Ullrich, Künstlerin Danuta Karsten, Kunsthändler und Galerist Thole Rotermund, Künstler Günter Phiesel, Prof. Dr. Boris Zernikow, Dörte Garske (beide Kinderpalliativzentrum) und Nicole Sasse (Freundeskreis Kinderpalliativzentrum). „Dieser Kunstwettbewerb am Kinderpalliativzentrum war schon ein besonderer. Wir haben uns in der Jury intensiv beraten. Übereinstimmend sind wir so zu einem für uns alle stimmigen Ergebnis gekommen“, beschreibt Professor Ulrich, der fast 30 Jahre die Kunsthalle Recklinghausen leitete, den Auswahlprozess.
Die ersten drei Preise prämierte das Kinderpalliativzentrum mit insgesamt 6000 Euro. Das gesamte Preisgeld hatte zuvor ein Kunstinteressierter aus dem Unterstützerkreis des Freundeskreises als Spende zur Verfügung gestellt. Die Plätze 4-25 erhielten je 100 Euro.
Platz 1 erzielte Ute Diez aus Kiel. Die Künstlerin schuf ihr Werk „zusammen halt 5“ ohne Linien komplett aus Handschrift. Es zeigt zwei Geschwister in inniger Pose – eins trägt das andere Huckepack: „Meine Zeichnung ist nicht nur im Motiv hoffnungsfroh, ob der beiden Geschwister, von denen zweifellos der Bruder auch ein Schutzengel sein kann. Insbesondere die Zeile „Lebe einzeln und frei wie ein Baum und dabei brüderlich wie ein Wald, diese Sehnsucht ist alt“ symbolisiert die Wichtigkeit der Familie“, beschreibt die Künstlerin ihr Werk und zitiert damit den türkischen Dichter und Dramatiker Nazim Hikmet . Sie nahm von der Veranstaltung intensive persönliche Eindrücke mit: „Der Eindruck, den das Kinderpalliativzentrum bei mir hinterlassen hat, ist mit einem tiefen Respekt für die sensationelle Arbeit der Mitarbeiter*innen, für die Feinfühligkeit und kreative Offenheit des Leitungsteams und für den nicht hoch genug zu schätzenden Beitrag des Fördervereins verbunden. Die gelungene Veranstaltung zur Preisverleihung des Kunstwettbewerbes empfand ich als höchste Wertschätzung für mich und meine Künstlerkolleg*innen. Mich erfüllt der Gedanke, dass meine Zeichnung die Einrichtung als Schutzengel bereichern darf“.
Über die Plätze 2 und 3 freuten sich Thomas Klegin aus Schwerte und Sinje Faby aus Leipzig. Klegins Fotografie „SPES_“ lässt den Betrachtenden einen Engel aus Wolken am Abendhimmel erkennen. „Mein Bild soll die Eltern daran erinnern, dass es Kräfte gibt, die sie in ihrer Liebe und Angst begleiten und ihnen Hoffnung, Licht und Zuversicht für jeden neuen Tag geben: Licht besiegt Dunkelheit. Gerade in Zeiten, in denen man sich ohnmächtig erfährt, ist es unerlässlich zu wissen, dass es Schutzengel gibt“, beschreibt der Schwerter Künstler seine Gedanken dazu.
Sinje Faby, die Drittplatzierte, gewann mit ihrem monochromen Photogramm „Neue Lindenvögel. Schlüssellochbilder. Mondflug. Glück in der Liebe zum Gedachten (Ludwig Marcuse)“ und sagt über ihr Werk, das Teil einer Reihe ist: „Die Lindenvögel haben stets einen klaren Fokus auf etwas, das noch nicht zu sehen ist, zeigen eine große Sammlung und innere Stärke. Die feine Blattzeichnung hat etwas seelenartiges, Berührendes. In ihrer Verletzlichkeit öffnen die Lindenvögel den Blick auf eine unbeirrbare Kraft. (…)“
Der Einladung zur Preisverleihung folgten am Samstag zehn der 25 ausgezeichneten Künstler:innen und weitere Gäste. Nicole Eickhoff, Stationsleiterin der Kinderpalliativstation, und Dörte Garske, die pflegerische Bereichsleitung, führten die Gäste vor der Veranstaltung durch das Haus. Das Interesse, die Kinderpalliativstation Lichtblicke persönlich kennen zu lernen, war bei allen groß. „Hier ist überall so viel Wärme und Licht, viel Farbe. Es ist so ganz anders, als man sich ein Krankenhaus vorstellt“, sprach eine Künstlerin anschließend aus, was viele an diesem Tag so empfanden.
Ein großer Teil der 175 Künstler:innen, die am Wettbewerb teilgenommen hatten, stellen ihr Werk nun dem Kinderpalliativzentrum als Spende zur Verfügung, ohne einen Preis gewonnen zu haben. Sie alle eint der Wunsch, Familien mit einem schwerkranken Kind mit ihrem Werk Hoffnung und Zuversicht zu schenken. „Wir freuen uns sehr über jedes einzelne Werk. Mit der Eltern-Artothek können wir ab jetzt den Eltern ein weiteres Angebot machen, das sie auf einer ganz anderen Ebene als der medizinischen Versorgung anspricht“, ist sich Dörte Garske, Pflegerische Bereichsleitung, sicher, dass das neue Angebot gut angenommen wird.
Den kurzweiligen Nachmittag bei Kaffee und Kuchen, Dankesworten, Kurzvorträgen, regem Austausch und den Führungen über die Kinderpalliativstation rundete ein gemeinsames Abendessen ab.
Bilder der Kinder- und Eltern-Artotheken werden am zweiten Adventswochenende in einer Ausstellung in der Kirche der Gemeinde St. Peter in Waltrop für die Öffentlichkeit zu sehen sein. Anschließend wird der gesamte Bestand an Kunstwerken den Patient:innen und ihren Familien im Kinderpalliativzentrum zur Verfügung stehen.