Herr Wachtel, wir vermissen Sie!

Vor einigen Tagen erreichte uns die traurige Nachricht, dass Herr Andreas Wachtel, seit über 30 Jahren in der der Vestischen- Kinder- und Jugendklinik Datteln tätig, davon 14 Jahre als Geschäftsführer, das Haus zum 31.05.2023 verlassen und bis dahin auch nicht mehr als Geschäftsführer tätig sein wird. Wir sind sehr bestürzt.  Am Dienstag war Herr Wachtel zum letzten Mal als Geschäftsführer in der Klinik. Zahlreichende Mitarbeitende standen vor dem Eingang Spalier. Sie rollten den roten Teppich aus und bereiteten Herrn Wachtel einen herzlichen – und würdigen – Abschied.

Zusammen mit Prof. Andler hat Herr Wachtel die Entwicklung der Kinderklinik entscheidend geprägt. Seine Offenheit, sein Gespür für das Richtige und Gute, seine visionäre Kraft und sein Engagement für kranke Kinder machten den Bau des Kinderpalliativzentrums und die umfassende Versorgung schwerstkranker Kinder erst möglich. Herr Wachtel war es, der die Idee von Pflegenden, Ärzt:innen und Therapeut:innen aufnahm, eine Palliativstation für Kinder zu bauen. Er suchte den jetzigen Ort auf dem Klinikgelände aus und stellte ihn zur Verfügung. Als die schon zugesagte Förderung des Vorhabens durch das Land Nordrhein-Westfalen im Jahr 2007 wegbrach, war es Herr Wachtel, der das noch junge Palliativteam um Prof. Boris Zernikow ermutigte, alternative Finanzquellen zu suchen. Mit vereinten Kräften gelang es ihnen, Unterstützer:innen zu finden und 6 Millionen Euro für den Bau des Kinderpalliativzentrums zu sammeln – bei Stiftungen, Privatpersonen und Unternehmen. Ein Traum wurde Wirklichkeit!

Gemeinsam mit Herrn Heinz Rüter, dem damaligen Hauptgeschäftsführer der Vestischen Caritas Kliniken GmbH, kämpfte Herr Wachtel bei den initialen Verhandlungen mit den Krankenkassen für die ausreichende Finanzierung der stationären Kinderpalliativversorgung. Doch trotz größter Anstrengungen konnte keine auskömmliche Finanzierung der ersten pädiatrischen Palliativstation „Lichtblicke“ in Deutschland verhandelt werden. Für Herrn Wachtel war dies kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Im Gegenteil: Er ermutigte, zeigte sich offen für neue Wege, um die Versorgung – insbesondere die psychosozialen Angebote – auf ein sicheres Fundament zu stellen. So ist es auch ihm zu verdanken, dass der Freundeskreis Kinderpalliativzentrum Datteln e.V. im Jahr 2010 ins Leben gerufen wurde.

Heute ist der Freundeskreis mit seinen vielen Unterstützer:innen ein unerlässliches Standbein des Kinderpalliativzentrums. Spenden und andere Drittmittel tragen seit zwölf Jahren kontinuierlich dazu bei, vor allem die psychosozialen Versorgungsangebote auf der Station Lichtblicke zu finanzieren. Dank des großen Vertrauens von Herrn Wachtel in die Arbeit des Freundeskreises und dank seines unerschöpflichen Wohlwollens trägt dieser Finanzierungsweg seither nachhaltig Früchte.

Herr Wachtel glaubte bereits an das Palliativteam, als es Anfang der 2000er Jahre anfing, ohne eine bestehende Regelfinanzierung sterbenskranke Kinder zuhause zu versorgen, um ihnen ein Leben, aber auch ein Sterben in der Geborgenheit ihres Zuhauses zu ermöglichen. Mittlerweile wird die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) von den Krankenkassen bezahlt. Das hat mehr als zehn Jahre Ausdauer gebraucht – zehn Jahre, die Herr Wachtel immer an der Seite des Palliativteams stand.

Und auch der gerade eröffnete Lichthafen hatte von Anfang an – gegen viele Widerstände – die Unterstützung von Herrn Wachtel. Er glaubte an die innovative Idee, spezialisierte Operationsteams zur Behandlung komplex chronisch erkrankter Kinder an die Vestische Kinder- und Jugendklinik zu holen. Und letztlich überzeugte er mit seiner Haltung nicht zuletzt auch den NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann. Während seines Besuches anlässlich des Lichthafen-Richtfestes lobte Minister Laumann nicht nur die Innovationskraft der Vestischen Kinder- und Jugendklinik, sondern vor allem auch den Guten Geist in der Kinderklinik. Dieser Gute Geist der Kinderklinik war Andreas Wachtel. Er stand für Ehrlichkeit, Offenheit, Geschwisterlichkeit, Begegnung, Wertschätzung und Wohlwollen. Er zeigte, dass diese Werte durchaus mit ökonomischem Erfolg vereinbar, ja sogar die Grundlage des Erfolges sind. Er ist lebendiger Christ und ließ sich durch den Theologen Dietrich Bonhoeffer inspirieren: „Den Christen rufen nicht erst die Erfahrungen am eigenen Leibe, sondern die Erfahrungen am Leibe der Brüder, um derentwillen Christus gelitten hat, zur Tat und zum Mitleiden.“

Das Kinderpalliativzentrum ist Herrn Wachtel unendlich dankbar für seine Arbeit als Geschäftsführer in der Vestischen Kinder- und Jugendklinik Datteln – Universität Witten /Herdecke.

Bedanken möchten wir uns bei Herrn Wachtel mit einem Gedicht von Rose Ausländer. (Mein Atem, aus: Mutterland. Gedichte, 1978)

Mein Atem

In meinen Tiefträumen
weint die Erde
Blut

Sterne lächeln
in meine Augen

Kommen Menschen
mit vielfarbnen Fragen
Geht zu Sokrates
antworte ich

Die Vergangenheit
hat mich gedichtet
ich habe
die Zukunft geerbt

Mein Atem heißt

jetzt