Ein Schirm für leidgeprüfte Eltern und schwerkranke Kinder

Folgender Artikel erschien in der Dezemberausgabe 2022 der „WITTENSWERT“, einer Publikation der Universität Witten/Herdecke.

Prominente Partner des Kinderpalliativzentrums in Datteln: RTL-Moderatorin Inka Bause unterstützt seit langem die Arbeit von UW/H-Professor Dr. Boris Zernikow und seinem Team am dortigen Lehrkrankenhaus der Universität Witten/ Herdecke.

Es passt nicht zur Kindheit, soll, darf, kann nicht zu ihr passen: Krankheit und Schmerz, Sterben und Tod – und doch ist das Leid kleiner Patient:innen Realität. In der Vestischen Kinder- und Jugendklinik in Datteln kümmert man sich um sie: Dort werden kranke Kinder aufgenommen – und für schwerstkranke Patient:innen gibt es eine pädiatrische Palliativstation mit acht Betten. Die Arbeit, die Boris Zernikow mit seinem Team leistet, erfordert nicht nur Engagement, sondern auch finanzielle Mittel, genauer: Förder- und Spendengelder. Denn die Finanzierung durch die Krankenkassen reiche nicht aus, so Zernikow. Nur mit Hilfe zahlreicher Unterstützer:innen habe in Datteln das Palliativzentrum errichtet werden können. Mit ihm wurde Pionierarbeit geleistet: Es war das erste Kinderpalliativzentrum in Deutschland.

Jetzt wurde auf dem Dach des Klinikgebäudes ein Operationszentrum errichtet: der LichtHafen, der seinen Namen bekommen hat, weil von allen Seiten Licht in die Räume fällt. „Operationsteams aus kooperierenden Häusern können zu uns kommen und Kinder, Jugendliche sowie junge Erwachsene operieren, die an schweren, seltenen Erkrankungen leiden“, erklärt Zernikow. Mit Hilfe des LichtHafens bleibe den jungen Patient:innen der beschwerliche und oft risikoreiche Transport in andere Krankenhäuser erspart. Zudem sinke die Belastung für die Familien merklich.

„Maßgeblich ermöglicht wurde der Bau des LichtHafens durch das NRW-Gesundheitsministerium mit einer Summe 2 1 von 6,5 Millionen Euro“, so Zernikow. Weitere Fördernde konnten gewonnen werden – und der RTL-Spendenmarathon 2020 hat mit einer Million Euro einen großen Anteil an dem Projekt. Finanzielle Unterstützung wird aber weiterhin gebraucht ­ und damit auch Aufmerksamkeit. Eine Möglichkeit dafür bot jetzt der Westdeutsche Rundfunk mit seiner Mitmachaktion „Türen auf mit der Maus“: Sie ermöglicht jährlich kleinen und großen „Maus“-Fans Zugang zu Orten, die sonst verschlossen sind. Dieses Mal konnte man etwa Amateurfunker:innen besuchen, technische und chemische Labore, eine Hebammenschule – und auch die Klinik in Datteln.

Boris Zernikow: Freundschaft und Nähe

Auf den ersten Blick ist es eine überraschende Konstellation: der Unterhaltungssender RTL und das Palliativzentrum. Welche Rolle spielt das Engagement von Inka Bause für Ihre Arbeit?

Boris Zernikow: Vor zwölf Jahren wurden die Investitionskosten des Kinderpalliativzentrums komplett durch die Zivilgesellschaft aus Spenden und mit Förderungen einiger Stiftungen wie der RTL-Stiftung „Wir helfen Kindern“ geleistet. Damals durften wir Inka Bause – unsere Patin des RTL-Spendenmarathons – kennenlernen. Seitdem unterstützt sie uns nicht nur durch ihr öffentliches Engagement, sondern auch durch ihre Freundschaft und Nähe. Ihr ist es zu verdanken, dass wir beim 25 Jahre Jubiläums-Spendenmarathon im Jahre 2020 erneut dabei waren und durch die RTL-Stiftung mit einer Million Euro für den Bau des LichtHafens unterstützt wurden. Inka Bause ist ein Glück für das Kinderpalliativzentrum und alle Patient:innen, die dort betreut werden. Sie ist eine verlässliche Partnerin mit einem riesigen Herzen und einem scharfen Verstand.

Am 3. Oktober 2022 haben Sie beim „Türen auf mit der Maus!“­Tag mitgemacht. Warum war es Ihnen wichtig, Familien mit Kindern einzuladen?

 Boris Zernikow: Alle Eltern haben Angst, wenn ihre Kinder krank sind. Das gilt umso mehr für Eltern schwer chronisch kranker Kinder. Und auch im Leben der Kinder spielt Angst eine große Rolle: Angst vor der nächsten Komplikation der Erkrankung, Angst vor Schmerzen, Angst vor dem Krankheitsprogress . „Angst essen Seele auf“ hat Rainer Werner Fassbinder einen seiner wichtigsten Filme genannt, und da hat er Recht. Mit dem LichtHafen schaffen wir eine angstreduzierende Umgebung für eine Operation. Wir wollten das Kindern und ihren Familien zeigen und ausprobieren, ob wir mit unseren Ideen richtigliegen.

Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Wir lagen richtig, es funktioniert. Die Kinder sind am Maus­Tag durch den OP geflitzt, sie haben ausprobiert und gelacht. Bei gesunden Kindern funktioniert unser Konzept der heilenden Architektur also schon mal – jetzt sind wir gespannt auf die ersten OPs.

Gerade haben Sie den LichtHafen realisiert – gibt es ein neues Projekt, für das Förder- und Spendenmittel gebraucht werden?

Die Welt tut gut daran, das Beppo-Straßenfeger-Prinzip zu leben, das man aus Michael Endes Buch „Momo“ kennt: „Platte fegen – Atemzug nehmen – Pause machen – nächste Platte fegen“. Noch haben wir die Platte nicht gefegt: Leider fehlen uns noch 500.000 Euro zur Finanzierung des LichtHafens – die suchen wir jetzt erstmal. Dann nehmen wir einen Atemzug, machen eine Pause und schauen nach der nächsten Platte.

Inka Bause: Wärme und Energie

Ein Kinderpalliativzentrum ist ein Ort, der von Schmerz und Leid geprägt ist – die meisten versuchen, einen solchen Ort zu meiden. Sie dagegen sind immer wieder in Datteln zu Besuch, begleiten das Zentrum, unterstützen es – warum tun Sie das?

Als ich vor vielen Jahren im Zuge des RTL-Spendenmarathons Prof. Zernikow und sein Team kennenlernte, war ich sofort von seiner Arbeit begeistert. Er und sein Team haben mir auf Anhieb die Unsicherheit genommen, die sicherlich viele Menschen im Umgang mit dem Thema Kinderpalliativmedizin hben. Ich habe mich selbst gewundert, dass ich nach einem Tag in Datteln zum einen zwar völlig erschöpft war, zum anderen aber eine unfassbare innere Wärme und Energie gespürt habe. Dieser Ort ist ein Schirm, unter dem sich leidgeprüfte Eltern, schwerkranke Kinder und besorgte Angehörige finden, um gemeinsam Linderung zu erfahren und Kraft zu tanken. Solch ein Ort, mit seinen großartigen Ärzt:innen, allen Mitarbeitenden und ehrenamtlich Helfenden ist für mich die Hoffnung, dass die Welt besser ist, als sie scheint und wir Menschen mehr Kraft haben, als wir glauben. Darum bin ich immer wieder gerne dort und freue mich, wenn ich einen kleinen Teil beitragen kann.

Wie erleben Sie Boris Zemikow und sein Team?

Das kann ich nicht beschreiben, denn eine Persönlichkeit wie den Professor muss man erleben. Er brennt für seine Arbeit, ist ein Menschenfreund, hat ein großes Herz und den Instinkt, Menschen zu begeistern und mitzuziehen. Er ist eben ein Humanist und hat Visionen. Das Kinderpalliativzentrum, die Station Lichtblicke und nicht zuletzt der LichtHafen sind Orte, an denen nicht nur pragmatisch und professionell geholfen wird wie vielerorts – dieses Zentrum ist geprägt von Menschlichkeit, Empathie, der Liebe zur Kunst, zu Tieren und dem Wissen, dass jedes Lebewesen in der Lage ist, helfen zu können und gute Energie zu spenden. Alles verbunden mit dem Respekt vor dem Unausweichlichen. Diese Räume sind für mich wie der geheime Garten.

Was berührt Sie vor allem am LichtHafen?

Er ist die Krönung einer Vision. Endlich können die Patientinnen vor Ort die bestmögliche Versorgung erhalten. Hier kommen die Spezialist:innen zu den Patientinnen und nicht umgekehrt. Wie ich den Professor und sein Team kenne, erwarten uns wieder unfassbare Neuerungen und kreative, wunderbare Besonderheiten zum Schutz und Wohl des Kindes. Ich freue mich unsagbar für alle Familien, die diese Hilfe in Zukunft in Anspruch nehmen und sich einfach sicher fühlen und fallen lassen können. Ein Geschenk.