Rahmenbedingungen der Kinderpalliativversorgung

Ein Überblick über Versorgungsstrukturen und Finanzierung

Der Schlüssel zum Verständnis der Welt liegt oft im Wissen um die Rahmenbedingungen, die Geschichte und die Hintergründe. Warum sprudelt Wasser bei 100 ° Celsius viel mehr als bei 90 °? Warum ist es im Winter kälter als im Sommer? Und warum schmeckt Schokolade so phantastisch?

Wasser wechselt bei 100° in der gesamten Flüssigkeit den Aggregationszustand, dadurch entstehen überall Blasen und deshalb sprudelt das Wasser bei 100° so viel. Die Erde rotiert um die Sonne, hierbei kommt sie der Sonne mal näher, mal ist sie weiter entfernt – das ist jedoch nicht entscheidend für die Jahreszeiten, sondern die Rotationsachse der Erde, die sich so verändert, dass bei uns im Sommer der Winkel der Rotationsache größer und die Dauer der Sonneneinstrahlung länger sind. Schokolade hat der liebe Gott erfunden – darum schmeckt sie so gut! Schokolade ist ein bisschen wie Himmel. Was bedeutet das nun für die Kinderpalliativversorgung in Datteln?

Die Versorgungsstrukturen

Ein besseres Verständnis für unsere Arbeit entsteht, kennt man die anderen Versorger von Familien mit einem schwerstkranken Kind und deren Aufgaben. Andere stationäre Versorger sind die lokalen Krankenhäuser – auch wenn sie nicht spezialisiert sind in der Palliativversorgung von Kindern – sowie stationäre Kinderhospize und Kurzzeitpflegeeinrichtungen, die Kinder zur Entlastung der Eltern geplant aufnehmen. Zuhause sind die Eltern die Hauptversorger. Sie werden unterstützt durch den niedergelassenen Kinder- und Jugendarzt, den ambulanten Kinderkrankenpflegedienst sowie die ehrenamtlichen Begleiter der Kinderhospizdienste.

Das Kinderpalliativzentrum schließt als Teil der Vestischen Kinder- und Jugendklinik Datteln eine Lücke in der Versorgungslandschaft. Auf der deutschlandweit ersten pädiatrischen Palliativstation „Lichtblicke“ werden die Patienten gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern in Krisensituationen zur Symptomkontrolle aufgenommen und von einem multiprofessionellen Kinderpalliativteam umfassend versorgt. Leidvolle Symptome sind insbesondere Schmerz, Unruhe, Angst, Atemnot und Krampfanfälle. Die meisten Kinder können nach einer Stabilisierung wieder nach Hause entlassen werden. Bestehen komplexe Probleme, hilft ein spezialisiertes ambulantes Kinderpalliativteam (SAPV-Team) den Familien in ihrem häuslichen Umfeld. Unser Team in Datteln sucht Familien in einem Umkreis von rund 120 Kilometern auf.

Der Bau des Kinderpalliativzentrums – Spenden statt öffentlicher Förderung

Als wir den Bau des Kinderpalliativzentrums planten, gab es in NRW eine Investitionsfinanzierung der Krankenhäuser. Krankenhäuser stellten Anträge für Neu- und Umbauten, die vom Land NRW gesichtet, bewertet und dann im Rahmen der zur Verfügung stehenden Finanzmittel genehmigt wurden. Dieses Verfahren wurde – genau als wir den Antrag für den Bau des Kinderpalliativzentrums stellen wollten – zu Gunsten einer jährlichen pauschalen Bauförderung aller Kliniken in NRW aufgegeben. Dank eines enormen Kraftaufwandes und einer großen Portion Glück wurde das Kinderpalliativzentrum dennoch gebaut – ausschließlich mit Hilfe von Spendengeldern! Wir sind allen, die uns geholfen haben, unendlich dankbar hierfür!

Der laufende Betrieb der Station Lichtblicke – ohne Spenden nicht möglich

Wieviel Geld ein Krankenhaus für seine Leistung erhält, ist einerseits gesetzlich geregelt (GVK Gesundheitsreformgesetzes aus dem Jahre 2000), andererseits werden die Details der Vergütung in einer jährlichen Budgetverhandlung zwischen Kostenträger (Krankenkassen) und Kinderklinik verhandelt. Die pädiatrische Palliativstation erhält pro Patient und Behandlungstag einen Tagessatz, weil sie aus der sonst üblichen pauschalisierten Vergütung als „besondere Einrichtung“ ausgenommen wurde. Wie hoch dieser Tagessatz auf Lichtblicke sein müsste, um kostendeckend zu arbeiten, wurde von der Verwaltung der Vestischen Kinder- und Jugendklinik berechnet und den Krankenkassen vorgelegt. Die Vestische Kinder- und Jugendklinik hat mit diesen Kalkulationen viel Erfahrung, weil sie dem InEK (Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus) regelmäßig solche Daten zur Verfügung stellt; also ein sogenanntes „Kalkulationskrankenhaus“ ist.

Im Rahmen der ersten Budgetverhandlung im Jahre 2010 boten die Krankenkassen dann an, ca. 50% der tatsächlich anfallenden Kosten zu tragen. Nach zähem Ringen und ausgedehnten Verhandlungen waren sie dann bereit, ca. 60% der realen Kosten zu erstatten. Pro Tag und Kind entsteht also ein Defizit, welches ca. 40% der tatsächlichen Kosten beträgt. Nach der ersten Budgetverhandlung wurde in den jährlichen Verhandlungen versucht, den Tagessatz für Patienten auf Lichtblicke weiter den tatsächlichen Kosten anzunähern. Leider waren wir hier nicht erfolgreich. Daher müssen wir jeden Tag für jedes Kind die nicht von den Krankenkassen übernommenen Kosten durch Spenden decken. Hierfür haben wir den Freundeskreis Kinderpalliativzentrum Datteln e.V. gegründet. Seit 2010 schafft er für Familien mit einem schwerstkranken Kind eine Öffentlichkeit und wirbt erfolgreich um Spenden, damit diese Familien sich auf eine exzellente medizinisch-pflegerische als auch psychosoziale Versorgung in Datteln verlassen können.

Die Zukunft – wir bleiben dran und entwickeln uns weiter

Für die nächste Krankenhausbudgetverhandlung steht wieder das Budget der pädiatrischen Palliativstation Lichtblicke auf der Tagesordnung – wir bleiben einfach dran. Und wir planen eine weitere Verbesserung der Versorgung schwerkranker Kinder, Jugendlicher und junger Erwachsener. Im Jahre 2020 lassen wir die Qualität unserer Arbeit von der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin zertifizieren. Auf dem Dach des Kinderpalliativzentrums soll die Möglichkeit entstehen, schwerkranke Kinder vor Ort zu operieren. Ein riesiger Fortschritt, der durch das Gesundheitsministerium NRW – allen voran Herrn Gesundheitsminister K-J.-Laumann – mit einer Einzelförderung unterstützt wird. Gleichzeitig sollen in der ersten Etage zusätzlich zu den fünf bestehenden zwei neue Elternapartments entstehen, damit noch mehr Familien direkt beim Kind sein können. Außerdem werden die Patientenbäder auf der Station Lichtblicke umgebaut, um die Versorgung der Kinder mit Krankenhauskeimen weiter zu verbessern.